10.12.2025 Sina Schäfer
ShareWie entwickelt sich der Einsatz von Künstlicher Intelligenz (KI) im industriellen Umfeld im Jahr 2026? Welche Auswirkungen hat das auf zentrale Bereiche wie Produktion, Logistik und Supply Chain? Wir geben einen kompakten Überblick über fünf Entwicklungen, die im kommenden Jahr besonders prägend sein werden und zeigen, wohin sich KI in der Praxis bewegt.
Kaum ein Jahr hat die Weiterentwicklung von Künstlicher Intelligenz so spürbar vorangetrieben wie 2025. KI wurde breiter verfügbar, leistungsfähiger und professioneller eingesetzt und viele Unternehmen haben erstmals konkrete Schritte in Richtung Automatisierung, generativer Assistenz oder datengetriebener Prozessoptimierung unternommen. 2026 knüpft an diese Dynamik an und führt sie weiter. KI wird zunehmend zum festen Bestandteil operativer Wertschöpfung und zu einem elementaren Baustein moderner Fertigungs- und Logistikumgebungen.

Trend 1: KI-Agenten übernehmen zunehmend operative Aufgaben
2026 werden KI-Agenten stärker in tägliche Betriebsabläufe eingebunden. KI-Agenten sind fortschrittliche Software-Komponenten, die
- Datenströme in Echtzeit auswerten
- sich dynamisch an veränderte Bedingungen anpassen
- proaktive Empfehlungen ableiten
- eigenständig arbeiten und direkt mit Nutzenden interagieren können.
Mit ihrer zunehmenden Verbreitung entsteht ein neues Zusammenspiel spezialisierter Agenten. Unternehmen nutzen künftig nicht mehr nur einen einzelnen Assistenten, sondern mehrere spezialisierte Agenten, die parallel an unterschiedlichen Teilaufgaben arbeiten und ihre Analysen miteinander verknüpfen. Dadurch entsteht ein dynamisches Zusammenspiel, in dem mehrere digitale Helfer gleichzeitig unterschiedliche Aspekte eines Prozesses im Blick behalten und gemeinsam zu einer fundierten Entscheidungsvorbereitung beitragen.
Schauen wir uns das an einem Beispiel an: Ein Lieferant meldet nachmittags eine Verzögerung an ein Fertigungsunternehmen. Ein wichtiges Bauteil erreicht das Werk drei Stunden später als geplant. Ohne intelligente Unterstützung würden Planungsverantwortliche solche Signale häufig zu spät oder nur unvollständig bewerten. Mit KI-Agenten läuft die Situation strukturierter ab. Ein Materialverfügbarkeits-Agent erkennt die Abweichung sofort und prüft mögliche Optionen, ein weiterer Agent analysiert freie Maschinenkapazitäten und ein dritter bewertet Alternativen entlang der Supply Chain, etwa Teilmengen aus anderen Standorten. Aus diesen Perspektiven entsteht eine priorisierte Empfehlung, die den Verantwortlichen direkt im System angezeigt wird und mit wenigen Klicks angepasst oder freigegeben werden kann.
Trendreport zu KI-Agenten
Dass KI-Agenten nicht länger als eine Zukunftsvision, sondern als sehr konkrete Technologie mit hoher Relevanz betrachtet werden, zeigt auch unsere INFORM-Trendstudie 2025:
- 89 Prozent der befragten 114 Fach- und Führungskräfte aus Logistik und Supply Chain Management sehen großes Potenzial in KI-Agenten.
- Bereits 12 Prozent nutzen KI-Agenten produktiv, 25 Prozent planen Pilotprojekte und 33 Prozent diskutieren aktiv ihre Einführung.
- Zu den Top-Anwendungsfeldern zählen laut der Studie die Absatzplanung, das Bestandsmanagement, die Risikobewertung sowie die Transport- und Produktionssteuerung.
- Als größten konkreten Nutzen nennen die befragten Unternehmen vor allem die Reduzierung manueller Routinetätigkeiten, gefolgt von höherer Prognosequalität und Effizienzsteigerungen in operativen Abläufen.
Trend 2: KI wird zum Kern moderner Softwarearchitekturen
Während KI-Funktionen bisher häufig als ergänzende Module in bestehende Systeme integriert wurden, verändert sich 2026 zunehmend die Grundlogik der Softwareentwicklung. Anwendungen entstehen immer öfter von Anfang an mit dem Anspruch, Lernprozesse, Datenauswertung und automatisierte Entscheidungsmechanismen als zentrale Bestandteile ihrer Architektur zu berücksichtigen. Dadurch wird KI nicht mehr als zusätzliche Funktion betrachtet, sondern als strukturelles Element, das das Verhalten einer Software kontinuierlich beeinflusst.
Für Entwicklerinnen und Entwickler bedeutet dies, dass sich ihr Werkzeugkasten erweitert:
- KI-generierte Codesegmente werden zur alltäglichen Unterstützung, etwa bei Routinefunktionen oder komplexen Logikbausteinen.
- Automatisierte Tests werden intelligenter, indem sie auf Basis realer Nutzungsmuster lernen, wo Fehler entstehen oder wo Anpassungen sinnvoll sind.
- Auch Deployment-Pipelines entwickeln sich weiter, denn sie beobachten das Verhalten der Anwendungen nach dem Ausrollen neuer Versionen und optimieren ihre Abläufe selbstständig, wenn beispielsweise bestimmte Schritte wiederholt zu Fehlern oder Verzögerungen führen.
Softwarearchitektur wird damit dynamischer, lernfähiger und stärker auf kontinuierliche Weiterentwicklung ausgerichtet.
Trend 3: KI-Systeme werden spezialisierter und modular kombinierbar
Je breiter KI in Unternehmen eingesetzt wird, desto stärker wächst künftig der Bedarf an Systemen, die ein bestimmtes Fachgebiet oder eine Branche tiefgehend verstehen. Universelle Modelle liefern zwar solide Grundlagen, erfassen jedoch häufig nicht die feinen Unterschiede in Produktionsprozessen, Materialstrukturen oder branchenspezifischen Abläufen. Domänenspezifische KI-Systeme gewinnen deshalb 2026 mehr und mehr an Bedeutung. Sie werden gezielt mit fachlichen und historischen Daten trainiert, kennen typische Muster, saisonale Besonderheiten und unternehmensspezifische Variabilitäten. Dadurch erzielen sie deutlich präzisere Prognosen und Einschätzungen, etwa in der Bedarfsplanung, beim Bestandsmanagement oder bei der Bewertung von Prozessrisiken.
Parallel setzt sich eine modulare KI-Architektur durch, bei der einzelne Modelle klar abgegrenzte Funktionen übernehmen und sich technisch flexibel kombinieren lassen. Unternehmen können damit jeweils die Bausteine einsetzen, die ihre spezifischen Anforderungen abdecken, ohne dass ein umfassender Neuaufbau der Systemlandschaft nötig wird. So lassen sich beispielsweise Softwarekomponenten zur Absatzplanung mit Modulen zur Bestandsoptimierung kombinieren und bei Bedarf um Modelle für Produktionsplanung oder Transportoptimierung ergänzen. Durch diesen Baukastenansatz entsteht eine anpassbare Modelllandschaft, die sich je nach Bedarf erweitern, austauschen oder verfeinern lässt und dadurch eine höhere Genauigkeit und Effizienz in klar definierten Aufgabenbereichen ermöglicht.
Trend 4: Transparente und regelkonforme KI-Systeme werden Pflicht
Mit der zunehmenden Komplexität KI-basierter Anwendungen wächst der Bedarf, ihr Verhalten jederzeit nachvollziehen zu können. Transparenz entwickelt sich damit zu einem zentralen Qualitätsmerkmal. Unter dem Begriff AI Observability entsteht ein Ansatz, der darauf abzielt, den gesamten Lebenszyklus einer KI verständlich zu machen. Dazu gehört:
- Wie werden Modelle trainiert?
- Welche Daten nutzen sie?
- Wie leiten sie Entscheidungen her?
- Und wie stabil ist ihre Leistung in unterschiedlichen Situationen?
Parallel dazu treten zentrale europäische Regelwerke wie der AI Act, die NIS-2-Richtlinie und der Cyber Resilience Act in eine neue Umsetzungsphase ein. Sie verlangen, dass Unternehmen detailliert dokumentieren, wie ihre KI-Systeme funktionieren, welche Risiken bestehen und welche Sicherheitsmaßnahmen implementiert wurden. Für Industrieunternehmen bedeutet das, dass klare Nachweise zu Entscheidungswegen, Datenflüssen und Kontrollmechanismen unverzichtbar werden. Transparenz und Regelkonformität sind damit keine optionalen Anforderungen mehr, sondern Grundvoraussetzungen für den produktiven und dauerhaft zuverlässigen Einsatz von KI.
Trend 5: Neue Rollen und Kompetenzen prägen den Umgang mit KI
2026 rückt stärker in den Fokus, wie Mitarbeitende mit KI-Anwendungen zusammenarbeiten und welche neuen Aufgaben daraus entstehen. Während KI-Systeme immer häufiger Vorschläge liefern, Szenarien aufbereiten oder operative Entscheidungen unterstützen, wächst der Bedarf an Rollen, die diese Ergebnisse einordnen und bewerten. An den Schnittstellen zwischen Fachbereichen, Datenmanagement und KI-Systemen entstehen neue Verantwortlichkeiten und klassische Profile wie Disponenten, Planer oder Schichtführer entwickeln sich weiter. Sie müssen nun weniger Datenrecherche leisten und stattdessen z.B. vorgeschlagenen Szenarien bewerten, mögliche Auswirkungen abschätzen und Entscheidungen gezielt freigeben. Ihre Rollen werden damit analytischer, kommunikativer und stärker in die Abstimmung mit angrenzenden Bereichen eingebunden, während Routineaufgaben zunehmend automatisiert werden.
Gleichzeitig gewinnen Qualifizierung und Change-Management an Bedeutung. Unternehmen müssen dafür sorgen, dass Mitarbeitende gut auf den Umgang mit KI vorbereitet sind und neue Werkzeuge nicht als Belastung, sondern als Unterstützung erleben. Schulungen, klare Leitlinien und ein transparenter Umgang mit Entscheidungen der KI sind entscheidend, damit Systeme im Alltag verlässlich eingesetzt werden können.
2026 stärkt das Zusammenspiel von Mensch, Prozess und KI
Damit wird 2026 zu einem Jahr, in dem KI in der Praxis nicht nur an technologischer Reife gewinnt, sondern vor allem im Zusammenspiel von Mensch, Prozess und System. Wir bei INFORM sind überzeugt, dass diejenigen, die diesen Wandel aktiv gestalten, eine Grundlage schaffen, auf der KI zu einem verlässlichen Bestandteil ihrer Wertschöpfung wird.
Welche Erfahrungen wünschen Sie sich für Ihr Unternehmen im Umgang mit KI im Jahr 2026 und welche Schritte möchten Sie als Nächstes gehen?
ÜBER UNSERE EXPERT:INNEN

Sina Schäfer
Corporate Communications Managerin
Sina Schäfer arbeitet seit 2021 als Corporate Communications Managerin im Corporate Marketing bei INFORM. Ihr Fokus liegt auf der externen Kommunikation zu den Themen Inventory & Supply Chain, Produktion und Industrielogistik.
