Plastikschalen stapeln sich in den Regalen, Folienhüllen liegen über Gemüse, Wurst und Käse. Kaum ein Produkt im Supermarkt kommt ohne Einwegplastik aus und die Müllberge wachsen unaufhörlich. In Deutschland fallen pro Kopf 237 Kilo Verpackungsabfall im Jahr an, mehr als in fast jedem anderen EU-Land. Doch diese Praxis hat ein Ablaufdatum: Mit der neuen EU-Verpackungsverordnung (PPWR) zwingt Brüssel den Lebensmittelhandel zum Umsteuern. Ab 2026 greifen strikte Vorgaben: weniger Einweg, mehr Recycling, verbindliche Mehrwegquoten. Für große Supermarktketten bedeutet das nichts weniger als eine radikale Umstellung ihrer Lieferketten.
Gleichzeitig eröffnet die Verordnung aber auch Chancen: für effizientere Materialkreisläufe, finanzielle Einsparungen und neue, nachhaltige Geschäftsmodelle. Im Mittelpunkt steht die Frage, wie sich dieser Wandel praktisch umsetzen lässt und welche Lösungen helfen können, ihn zu meistern.
Brüssel zieht die Zügel an: Einheitliche Regeln für alle
Bisher herrschte ein Flickenteppich: Jedes Land mit eigenen Gesetzen, mal strenger, mal großzügiger. Wer europaweit aktiv war und ist, der kennt den Kampf durch den Dschungel an Vorschriften. Damit ist jetzt Schluss.
Die neue EU-Verpackungsverordnung (PPWR) ersetzt die alten Richtlinien und gilt unmittelbar in allen 27 Mitgliedsstaaten. Keine Sonderwege mehr, kein Spielraum für nationale Abweichungen. Brüssel legt den Rahmen, und alle müssen sich fügen. Das schafft endlich Klarheit und Vergleichbarkeit, ein Vorteil für internationale Ketten, die bisher mit zahllosen unterschiedlichen Regelwerken kämpfen mussten.
Im Kern geht es um weniger Abfall und mehr Kreislauf. Verpackungen sollen schlanker werden, Einweg zurückgedrängt, Recycling verbindlich, Mehrweg gestärkt. Supermärkte, Hersteller, Logistiker – niemand bleibt außen vor.
Die Verordnung ist beschlossen, die Übergangszeit läuft. Bis August 2026 ist noch Zeit, dann greifen die ersten Regeln. Nicht irgendwann, sondern bald, und zwar für alle.
Pflichten & Deadlines: Was ab 2026 auf Supermärkte zukommt
Am 12. August 2026 tritt die neue Verpackungsverordnung in Kraft. Sie soll den wachsenden Verpackungsmüll eindämmen und den Handel in Richtung Kreislaufwirtschaft lenken. Die Theorie klingt nüchtern: weniger Einweg, mehr Recycling, klar geregelte Quoten. In der Praxis bedeutet es, dass sich die gewohnten Bilder im Supermarkt Schritt für Schritt verändern werden.
Im Obst- und Gemüseregal etwa: Gemüse in Einwegkunstsoff, Obst in Plastikschalen - ein Anblick, den Kunden seit Jahrzehnten gewohnt sind. Doch mit dem Start der PPWR verschwinden ab 2030 viele dieser Einwegverpackungen und werden verboten. Nicht nur in Deutschland, wo es ohnehin schon strengere Regeln gibt, sondern europaweit. Die Supply Chains müssen also nicht nur hierzulande, sondern auch im Ausland angepasst werden.
Wer weitergeht zur Getränkeabteilung, erkennt den nächsten großen Umbruch. Deutschland kennt das Pfandsystem, PET-Flaschen im Kreislauf sind Alltag. Anderswo in Europa ist das längst nicht selbstverständlich. Ab 2030 aber gilt für alle: Getränke müssen zunehmend in Mehrweg angeboten werden. Für internationale Ketten bedeutet das, ihre gesamte Logistik auf Rücklauf, Reinigung und Umlaufsteuerung auszurichten. Denn bis 2040 soll Mehrweg endgültig zum Standard gemacht werden.
Damit nicht genug: Auch bei Verpackungsmaterialien selbst greift die EU ein. Plastik darf bleiben, aber nur unter der Bedingung, dass es Teil eines echten Kreislaufs wird. Ab 2030 ist in vielen Verpackungen ein Rezyklat-Anteil von mindestens 30 Prozent vorgeschrieben. In Deutschland klappt das bei Glas und Papier seit Jahren gut, doch beim lebensmitteltauglichen Kunststoff wird es eng. Genau hier setzt die Verordnung an und zwingt Hersteller wie Händler, neue Wege in der Beschaffung und Verarbeitung zu gehen.
Wer einen Blick hinter die Kulissen wirft, sieht, dass auch die Lager und Transporte nicht verschont bleiben. Bis 2030 sollen 40 Prozent der Transportverpackungen wiederverwendbar sein. Das bedeutet: weniger Einwegkisten, mehr Umlaufkisten, die gesammelt, gespült und zurück in den Kreislauf gebracht werden. Für Logistikleiter ist das nicht nur eine Umstellung, sondern ein komplett neues Betriebssystem. Für Logistiker eröffnet das aber auch neue Chancen. Was heute noch komplex wirkt, kann morgen zu effizienten, standardisierten und besser planbaren Kreisläufen führen.
Und schließlich die Etiketten: Ab 2028 tragen sie einheitliche Symbole, die klar angeben, aus welchem Material eine Verpackung besteht und wie sie entsorgt werden muss. Für Verbraucher bringt das Orientierung, für Händler neue Pflichten im Design.
So greifen die einzelnen Vorgaben ineinander – vom Regal bis ins Lager, vom plastikverpackten Gemüse, zur Kennzeichnung auf der Joghurtbecher-Folie. Die Botschaft ist klar: Die Zeit des Einweg-Überflusses läuft ab, und mit jedem Tag schließt sich das Netz der Vorschriften ein Stück weiter.
Herausforderungen für Logistik & Supply Chain
Die Regeln sind beschlossen, doch die eigentlichen Probleme beginnen erst in der Umsetzung. Schon heute klagen Händler über die knappe Verfügbarkeit lebensmitteltauglicher Rezyklate, und mit den EU-Quoten wird der Wettbewerb um diese Rohstoffe noch härter. Des Weiteren heißt es: Verpackungen umzustellen, bedeutet mehr als neue Materialien einzukaufen. Künftig müssen außerdem, ganze Lieferketten neu organisiert werden.
Eine genaue Analyse der eigenen Verpackungsströme ist die Voraussetzung, sie strategisch steuern zu können und am Ende Ressourcen, Zeit und Kosten zu sparen.
Gerade darin liegt aber auch die Chance, Prozesse neu zu denken. Wer seine Verpackungsströme heute systematisch erfasst, schafft die Grundlage, um künftige Vorgaben nicht nur zu erfüllen, sondern daraus Wettbewerbsvorteile zu ziehen.
Natürlich kostet der Wandel zunächst Geld: Mehrwegkisten und Pfandsysteme erfordern Investitionen, bevor sie sich rechnen. Doch langfristig senken sie Entsorgungsaufwand, Transportkosten und Materialverbrauch. Das sind Vorteile, die sich mit jedem Umlauf stärker auszahlen.
In Lagern und Verteilzentren verändert sich der Alltag spürbar: Umlaufkisten müssen gesammelt, gespült, rückgeführt werden. Was früher im Presscontainer endete, wird nun zum wertvollen Rohstoff im Kreislauf.
Parallel dazu wachsen die Dokumentationspflichten: Rezyklatanteile, Mehrwegquoten, Recyclingfähigkeit, alles muss nachgewiesen werden. Doch auch hier können digitale Systeme helfen, den Überblick zu behalten und Datenflüsse automatisch zu erfassen. Aus Pflicht kann so Transparenz werden und aus Aufwand ein Steuerungsinstrument.
Chancen & Ausblick: Vom Zwang zur Kür
So hart die Vorgaben wirken, sie öffnen auch Türen. Wer früh umstellt, kann sich nicht nur rechtlich absichern, sondern auch einen Vorsprung erarbeiten. Nachhaltige Verpackungen werden längst nicht mehr nur als Kostenfaktor gesehen, sondern als positives Signal an Kunden: Hier wird Verantwortung übernommen.
Auf längere Sicht rechnen sich geschlossene Kreisläufe finanziell. Weniger Abhängigkeit von Rohstoffen, geringere Entsorgungskosten und planbare Umläufe. All das entlastet Budgets, wenn die Systeme erst einmal etabliert sind.
Dazu kommt der Innovationsschub: neue Materialien, standardisierte Mehrwegbehälter und digitale Rückverfolgungssysteme. Die Verordnung zwingt Unternehmen, Verpackung neu zu denken. Auch intelligente Softwarelösungen werden hier an Bedeutung gewinnen: Systeme wie SYNCROTESS können helfen, Mehrwegströme zu steuern, Umläufe effizient zu planen und so die Komplexität zu bändigen, die mit der PPWR unweigerlich wächst.
Am Ende bleibt die Erkenntnis: Die Kreislaufwirtschaft im Supermarkt ist keine Option mehr, sie wird zur Pflicht. Wer jetzt handelt, kann aus der Pflicht eine Kür machen und aus regulatorischem Druck einen Wettbewerbsvorteil.
Supply-Chain-Manager und Logistikleiter sollten die kommenden Monate nutzen, um Strukturen zu schaffen, die nicht nur den Gesetzen entsprechen, sondern den eigenen Betrieb zukunftssicher machen. Denn wer zu spät reagiert, zahlt doppelt, mit höheren Kosten und verlorenen Chancen.
Hinweis: Die Inhalte dieses Blogs sind vereinfacht dargestellt und dienen einer allgemeinen Einführung in das Thema. Für detaillierte Informationen und rechtlich verbindliche Vorgaben sollten die offiziellen EU-Dokumente und branchenspezifischen Richtlinien herangezogen werden.
Simeon Langel studiert Marketing an der IU Internationalen Hochschule in Köln und ist Teil der Logistics Division bei INFORM. Er beschäftigt sich mit Themen rund um die Optimierung und Nachhaltigkeit im Behältermanagement und der Baustofflogistik.
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